Tschuschenaquarium ist ein Schmähwort der Wiener für Schwimmbäder mit hohem Migrantenanteil. Der „Tschusch“ war einst Schimpfwort für Ex-Jugoslawen. Mittlerweile wird der Begriff aber in der Wiener Migranten- und Medienszene auch selbstironisch und mit einem gewissen Stolz auf die eigene Herkunft verwendet. Fast jeder Zweite der fast zwei Millionen Einwohner Wiens ist ein Zugereister. Das babylonische Sprachengewirr in Europas Mitte macht den Soundtrack der Stadt aus. Tschuschenaquarium als Multimedia-Projekt wühlt im Sediment der Stadt, wo sich Kriegsflüchtlinge, Gastarbeiter und Glücksritter vor und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs niedergelassen haben. Am Anfang war der Wien-Podcast, dann folgte das Buch, die 20 Portraits ergeben ein Kaleidoskop der Stadt Wien, die schon immer vor allem eins war: Vielvölkerstadt. Der QR-Code im Buch verbindet Lese- und Hörerlebnis.
Mitten in Europa – das ist mein Zuhause, im Tschuschenaquarium Wien mein Platz.
Stephan Ozsváth
Auch persönlich ist der ethnische Mix das Normal-Null, war die Stadt ein Kreuzungspunkt. Mein ungarischer Vater strandete nach Zwangsrekrutierung und Gefangenschaft im Zweiten Weltkrieg in Purkersdorf bei Wien, ehe er wieder nach Hause im Osten Ungarns konnte. 1956 beteiligte er sich an den Demonstrationen in Budapest und floh – über Österreich nach Deutschland. Mich verschlug es 2012 von Berlin nach Wien. Als ARD-Korrespondent habe ich von hier aus die Flüchtlingskrise entlang der Balkanroute abgebildet. Mitten in Europa – das ist mein Zuhause, im Tschuschenaquarium Wien mein Platz, heute lebe und arbeite ich in Wien und Berlin.
Stephan Ozsváth, 1965 in Andernach am Rhein geboren. Vater Ungar, Mutter Rheinländerin. Studium in Berlin, Granada, Debrecen. Arbeitet seit 1992 als Journalist, zuletzt als ARD-Südosteuropa-Korrespondent im Studio Wien. Im Frühjahr 2022 erscheint sein Buch „Tschuschenaquarium“ im danube books Verlag.