Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund dafür. Die Auseinandersetzung mit der DDR und meiner eigenen Vergangenheit machen mir heute deutlich, dass es Dinge gegeben hat, die ich nicht wieder erleben möchte. Dennoch ist meine Kindheit von einer Unbeschwertheit getragen worden, an die ich gerne zurückdenke. Ich möchte nicht schreiben, was vielleicht erwartet wird, sondern das, wozu ich stehen kann. Und dieser ganz persönliche Eindruck ist alles andere als die Verklärung der DDR-Vergangenheit als Ganzes. Gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen bin ich davon überzeugt, dass meine Enkel ihre Kindheit im Rückblick ebenso harmonisch finden werden wie ich meine. Das hängt aber auch damit zusammen, dass ihre Eltern ein wirtschaftlich auskömmliches Leben führen. Was die aktuellen Krisen betrifft, habe ich immer daran geglaubt (und es auch gehofft), dass Kriege nie wieder so nah an uns werden herankommen können, wie wir es jetzt erleben. Das allerdings bereitet mir in Bezug auf meine Enkel echte Sorgen.
In meinem Buch „Uferlinien – Eine Kindheit zwischen Flöha und Zschopau“, erschienen in der edition claus, habe ich eigene Kindheitserinnerungen verarbeitet. Die 1960er-Jahre in der DDR waren alles andere eine sorglose Zeit, sie waren überschattet von Mauerbau und Kaltem Krieg. Dennoch dominiert da ein Gefühl von Geborgenheit. Das dürfte sich aus mehreren Quellen speisen. Zum einen können Kinder die Brisanz von politischen Entscheidungen nicht einordnen. Vor allem aber waren unsere Eltern und Großeltern, die ja alle ganz schreckliche Erlebnisse im erst wenige Jahre zurückliegenden Zweiten Weltkrieg gehabt hatten, bemüht, uns ihre eigenen Ängste und Sorgen nicht spüren zu lassen. Aber mit jedem Jahr, das wir älter wurden, reifte natürlich auch Erkenntnis im politischen Denken.
Stefan Tschök wurde 1957 im sächsischen Frankenberg geboren, seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Flöha. Nach Militärdienst und Studium der Verkehrswirtschaft an der damaligen Hochschule für Verkehrswesen „Friedrich List“ in Dresden war er bis zu seiner Pensionierung im Verkehrswesen tätig. Besonders in den 1980er-Jahren arbeitete er in Zirkeln, die sich mit Literatur in der „aktiven Form“ auseinandersetzten, unter anderem im „Zirkel schreibender Arbeiter“ des Heckert-Kombinats im damaligen Karl-Marx-Stadt. Seitdem veröffentlicht er regelmäßig Aphorismen, Kurzgeschichten und Romane.