Auftakt. Großer Bahnhof auf dem Marktplatz im hessischen Bergen: Am 30. August 224 wird dort die preisgekrönte Romanautorin Nino Haratischwili aus Georgien verabschiedet – und der Staffelstab als neuer Stadtschreiber an Dinçer Güçyeter weitergereicht. Güçyeter ist Theatermacher, Gabelstapler, Verleger und Autor in Personalunion. Und er wird für die Veranstaltung seine selbst auferlegte Ruhezeit unterbrechen.
Anfang Juli 2024 hatte er sich letztmals via Social Media an seine Freunde und Leser gewandt und angekündigt, sich für möglicherweise längere Zeit aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen – nach einer Tour mit rund 100 Auftritten rund um sein Erfolgsbuch „Ein Deutschlandmärchen“. Seinen ELIF Verlag, so schrieb er, wisse er in dieser Zeit in guten Händen. Nun also kommt er zurück vors Publikum, kündigte das selbst augenzwinkernd so an: „Ich verlasse ich für paar Tage meine Höhle.“ Der Posten als Stadtschreiber von Bergen-Enkheim gilt als der erste und wichtigste Stadtschreiber-Preis in Deutschland. Und er ist noch dazu besonders, weil er die Ausgezeichneten zu nichts verpflichtet. 20.000 Euro Geld und ein Jahr kostenfreies Wohnen im Stadtschreiberhaus in Bergen-Enkheim in Frankfurt/Main sind Teil des Preises. Güçyeter versprach, hin und wieder vor Ort sein zu wollen. Für seinen ersten Roman wurde er 2023 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Auch den Kurt-Wolff-Förderpreis 2023 hat Güçyeter bekommen.
Güçyeter ist der 51. Literat, der die Stadtschreiber-Stelle antreten wird. Er wandere mühelos „zwischen zwei Sprachen, zwei Kulturen, zwei Literaturgattungen hin und her“ und beobachte „mal mit kindlichem Staunen, mal mit nachdenklicher Melancholie, dann wieder mit Galgenhumor oder mit theatralischem Zorn das Geschehen und die Menschen um sich herum“, so formulierte die Jury, warum die Wahl auf ihn gefallen sei. Zugleich lobte sie, dass der 45-Jährige mit einer „Laterne aus Worten“ denjenigen eine Stimme gebe, die „oft mitten in unserer Gesellschaft im Verborgenen bleiben“.