Dieselbe Frage habe ich 2020 Bernd Wilhelm, dem Forstamtsleiter von Oberhof, gestellt. Ich wollte wissen, wie es um unser Nationalheiligtum, den Thüringer Wald, bestellt ist. Er führte mich durch die Reviere. Es lag kein Schnee, an den Südhängen spross frisches Grün. Im Februar! In den Kammlagen, meinte Wilhelm, würden die Bäume dem Klimawandel aber noch trotzen. Doch in den Niederungen … Also lief ich weiter. Was ich auf meiner einjährigen Forstwanderung zu sehen bekam, war erschreckend und ermutigend zugleich: Zwar stirbt an vielen Standorten die Fichte, schreien Buche und Eiche nach Wasser, und Heere von Borkenkäfern fressen sich durch die Landschaft. Doch die Förster haben die Zeichen der Zeit erkannt und setzen ihre ganze Kraft auf einen ökologischen Umbau. Ich war bei den Zapfenpflückern, in der Samendarre und in der Baumschule. Auf Versuchsflächen, wo mit einheimischer und exotischer Baum-DNA experimentiert wird. Ich habe mich im Nationalpark einquartiert und Naturschützer begleitet. Der Wald verjüngt sich ja auch selber. Doch das dauert.
Was wir momentan erleben, ist eine selbstgemachte Katastrophe. Ich habe weinende Waldbesitzer getroffen, denen gerade das Familienerbe verdorrt.
Frank Quilitzsch, Autor
Was wir momentan erleben, ist eine selbstgemachte Katastrophe. Ich habe weinende Waldbesitzer getroffen, denen gerade das Familienerbe verdorrt. Aber sie wollen etwas an ihre Kinder und Enkel weitergeben. Also pflanzen sie, was das Zeug hält. Der Wald, erlebte ich immer wieder, ist nur ein Symptom. Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir bald an manchen Orten statt eines Hochwaldes nur noch einzelne Bäume und Sträucher sehen. Wir brauchen den Wald. Er bindet Kohlendioxid, speichert Wasser, spendet Holz und bietet Geborgenheit. Wer Bäume pflanzt, sagt Konfuzius, gewinnt den Himmel.
Frank Quilitzsch, Jahrgang 1957, ist Autor und Journalist. Er lebt in Erfurt und ist Vorstandsmitglied im Verband deutscher Schriftsteller Thüringen (VS) sowie Mitglied des Thüringer Literatur Quintetts (TLQ). Sein Buch „Wilhelm, wie sieht der Wald wieder aus? – Ein Jahr unterwegs mit Thüringer Förstern und Baumforschern“ ist im VerlagTasten & Typen in Bad Tabarz erschienen.